Eigentlich mag ich keine Krimis – eine Rezension


Lothar Petzold ist mehrfacher Preisträger (u.a. Paul-Gerhard-Preis 2007). Eigentlich ist er Lieddichter, Lyriker, schreibt aber auch Prosa. Zum Beispiel: „Der wunderbare Tausch“. Ein Kriminalroman.
Im kleinen Crivitz-Verlag in Schwerin erschienen.

Wunderbar die Sprache.
Beinahe nebensächlich die Handlung.
Poetisch die Spiegelung der Natur im Wort.
Anrührend viele Dialoge zwischen Frauen und Männern.
Eine Liebeserklärung an eine Stadt in Mitteldeutschland, die sich „Hartenberg“ nennt, ein Musterbeispiel von Renaissance-Architektur am Strom, verschont geblieben im Krieg, frisch gemacht nach der Diktatur.

„Ich sehe mir zwar manchmal einen Krimi an, aber eigentlich mag ich die vielen Krimis nicht“ lässt er eine seiner Figuren, Frau Jäger, Wirtin von Kommissarin Magdalena Jäger sagen. „Einesteils ist die Welt kaputt, andererseits werden mir viele Kriminalbeamte wie Rächer der Kaputten vorgeführt – und nun habe ich selber so einen Menschen in der Wohnung.“

Deshalb ist die Handlung auch beinahe nebensächlich: ein versuchter Mord wird aufgeklärt. Ein Mord allerdings, der in einer Kirchgemeinde geplant wurde.
Das öffnet hin zu wesentlicheren Themen.

Was mir gut gefällt an diesem Buch: es verrät den Liederdichter, besonders, wenn er Natur beschreibt:
„Sturm peitscht das Buschwerk. Schwarze Drachenkrallen reißen den Abendhimmel auf, brechen herunter auf das bleiche Band der Landstraße. Darüber stechen Sterne. Rechts kreischen und seufzen Unholde aus nachtschwarzem Wald, links torkeln Moorgeister aus dem Nebel. Hier geht kein Mensch, der nicht gehen muss. ….Hinter dem Regenvorhang glimmen Lichter. Da muss die Unfallstelle sein. Dicht am Waldrand schleicht sie zum Tatort. ….“ (27/28).

An-sprechend die persönlichen Texte.
Tochter Claudia spricht in ihrem Zimmer zu ihrer im Krankenhaus liegenden beinahe tödlich verunglückten Mutter:

„Mutter, ich kann dich nicht finden. Technik verstellt dich. Du wirst betrieben als wärst du nicht. Draußen hockt die Sonne im Baum, du siehst nicht die glänzenden Blätter. Der Wind tanzt durch die Äste, du fühlst nicht, wie er ums Haus springt. Mutter, ich sehe dich, du aber siehst mich nicht; ich spreche zu dir, du aber sprichst zu mir nicht – ich spüre: Werde ich nicht gesehen, reicht meine Sicht nicht; wird mit mir nicht gesprochen, versprechen meine Worte nichts. Solange du fern von mir bist, friere ich. Mutter, die alten Bilder verblassen, sie gehen hinter dich zurück. Immer warst du zuverlässig da: Im Urlaub beim Baden im See, während der Ausgabe der Zeugnisse in der Aula, beim Essen am Tisch. Aber du bist nicht mehr an den vertrauten Orten, schon gar nicht bei mir. Mir ist, als nähme ich von meiner Vergangenheit Abschied, und Gegenwart ist jetzt nur noch Pflicht. Ich bin nicht mehr zu Hause.“ (55/56).

Bewegend auch die Worte, die der Mann an seine verletzte Frau richtet:
„Hier war ich zu Hause, Katrin, solange du bei mir warst, so dass ich mich fühlen konnte. Immer, wenn ich dich spürte, wusste ich, dass ich bin: Hier in diese Räme gehören wir, hier zogen wir ein, stellten die Möbel hin und sagten: Wir wollen bleiben.
Aber du bist nicht mehr hier und ich weiß nicht, wer ich bin oder nicht bin.
Meine Tage sind Arbeit, nur noch Arbeit – ohne Freude. Und meine Nächte sind ohne Träume.
Ich rede nicht mehr mit den Blumen, seit wir nicht mehr miteinander sprechen. Seither gedeihen die Pflanzen nicht mehr wie vorher in der Gärtnerei. Ich gehe deine Wege, wünsche mir, du würdest mit mir gehen und dabei verliere ich mich.
Du b ist fortgegangen. Da vorn, da wo der Weg zwischen den Bäumen endet, sehe ich gerade noch deinen Schatten. Ich möchte dir hinterher rufen: Warte! Möchte mit dir den Sonntag vereinbaren, die Fahrt mit den Rädern hinter die Felder.
Vor allem musst du warten, ehe du fortgehst, weil ich vergaß, dich zu bitten: Habe Geduld mit mir. Ich weiß, manchmal bin ich streitbar. Wenn ich hochfahre, verschattet Angst dein Gesicht. Ich aber möchte dir nicht wehtun, ich will lernen, meine Wahrheiten zu sagen, ohne dich zu verletzen.
Du hast mich weinen gesehen und mich getröstet. Ich, der sich meist versteckt, gab mich dir preis. Du hast nicht gefragt: Was hast du? Du hast geschwiegen, meinen Kopf an deine Brust gelegt und gewartet, bis meine Erschütterung abklang.
Du warst immer da. Ganz selbstverständlich. Schon morgens, wenn ich erwachte, warst du da. Du hast aus dir herausgeblickt – warst ganz bei mir. Ich nahm dich selbstverständlich, nie sagte ich staunend zu dir: Gut, dass du da bist – ich liebe dich. Jetzt, während du nicht da bist, möche ich das lösende Wort sprechen.“
(92).

An-schaulich der Garten des Liederdichters:
„Anders als für Johannes, kann für Karin der Sommer nicht heiß genug sein. Mit Vergnügen trägt sie am Abend kalten Wein hinter die Kirche in den Garten. Dorthin lockt sie ihren Mann, legt ihm Papier und Stifte hin. Sie weiß: Wenn der sich genügend entspannt fühlt, schreibt er neue Verse.
Johannes verliert sich an einen Mitsommertraum: Er beschreibt Sommer und Sonne am Sonntag, nach Karins Meinung verdankt er diesen Text dem Wein:

Der Sommer erobert mit glühender Hand
sich Gräser und Wasserlinsen.
Er walzt durch die Wiese, wälzt sich am Strand
und pfeift mit dem Wind durch die Binsen…….
(S. 119 f.).

Ich empfehle dieses Buch allen, die an schöner Sprache ihren Gefallen haben.

Lothar Petzold
Der wunderliche Tausch
Wieden-Verlag Schwerin
ISBN 978-3-9811832-8-3
14 Euro.

http://www.wieden-verlag.de/index.php5?go=buecher_detail&goid=23