Pausengespräch mit einem jungen Grundschullehrer. Wir hatten uns in der Vorwoche schon gut über Methoden der Leseförderung unterhalten, heute knüpfe ich an: „Und, wie gehts bei Ihnen, alles in Ordnung?“ frage ich. „Wir haben heute einen Vergleichstest geschrieben“ erzählt er, „da wird geprüft, was die Kinder im Jahrgang eigentlich können müssten und was sie tatsächlich können und wir Lehrer bekommen ins Zeugnis geschrieben, was wir den Kindern wieder mal noch nicht beigebracht haben. Aber wir schaffen einfach nicht alles. Das ist die bittere Wahrheit.“
„Wenn ich Sie mal offen fragen darf: hier fehlen KollegInnen an der Schule, der Eindruck täuscht mich doch nicht?“
„Etwa 20 KollegInnen fehlen. Zum „Ausgleich“ aber gehen etwa 17 demnächst in den Ruhestand oder an eine andere Schule. Und damit wir nicht übermütig werden, sollen wir im kommenden Jahr statt 4 sogar 5 Erste Klassen übernehmen. Wenn Sie wissen, wie das gehen soll, bekommen Sie den Nobelpreis“ sagt er und lächelt etwas müde.
„Ich kann ungefähr nachempfinden, wie sich das anfühlt – Sie müssen alles irgendwie versuchen, damit Sie nicht untergehen“ sage ich. Die Kinder sind gestresst und nicht selten überfordert, nicht wenige kommen aus nicht einfachen familiären Verhältnissen. Manche schieben gar ihre Kinder „in die Schule“ ab, „da sollen sich die Lehrer mal drum kümmern“ und die LehrerInnen wiederum haben auch nur eine Kraft zur Verfügung, der Krankenstand ist hoch.“
„Ja, meint er, ungefähr so fühlt sich das für die KollegInnen an. Unsere Möglichkeiten reichen vorn und hinten nicht. Eigentlich bräuchten mindestens 10% unserer SchülerInnen eine gezielte Förderung, wahrscheinlich sind es sogar mehr – aber das schaffen wir schlicht nicht mehr. Deshalb ist es ja so wichtig, daß wir von den Lesepaten ein wenig Entlastung erfahren und vor allem die Kinder die individuelle Förderung und Unterstützung bekommen, die sie unbedingt nötig haben.“
Ich gehe nachdenklich nach Hause an diesem Dienstag, meinem „Lesepaten-Tag“, den ich nun schon seit einigen Wochen bei den Berliner Lesepaten absolviere. Und mir gehen jene Schreihälse durch den Sinn, die auf irgendwelchen seltsamen Demos „das Abendland retten“ wollen, aber nichts konkret dafür tun, das „Abendland“ zu retten – Eine Lesepatenschaft, das wäre sinnvoll.
Bei Instagram gibts die #lesepaten und auch die #berlinerlesepaten, auch zeigt sich der eine oder die andere bereits bei facebook. Was wir aber bräuchten, wäre eine deutlich bessere Internetpräsenz der Menschen, die sich als Lesepaten engagieren – denn wir brauchen dringend viele weitere Verbündete. In Berlin sind wir im Moment ca. 2500 Paten an etwa 300 Schulen, das genügt aber bei weitem nicht. Weshalb ich davon erzähle, wie es zugeht da draußen in der Welt der Kinder, wo man lesen und schreiben lernen soll.
In jedem Bundesland gibt es #Lesepaten. Am einfachsten sucht man zunächst „Bundesland“ plus „Lesepaten“ – dann wird man schnell fündig. In Berlin geht’s über folgenden Link weiter. Ich kann aus eigener sehr guter Erfahrung sagen: der Kontakt ging sehr schnell, sehr kompetent, das Polizeiliche Führungszeugnis war schnell da und auch bezahlt (die Paten bekommen die paar Euro erstattet) und dann gabs zeitgleich die ersten Vorschläge, welche Schule in der Nähe des Wohnortes wohl in Frage käme – und dann war schon der erste Kontaktbesuch dran. Innerhalb von vier Wochen von der ersten Mail an die Berliner Lesepaten war in meinem Falle die Sache „in Sack und Tüten“, wie man so sagt. Ich kann also nur empfehlen, den Kontakt zu suchen und aufzunehmen, man wird bestens unterstützt, damit man dann selbst andere unterstützen kann.